Referat von Sabine Lerch

1. Vorgeschichte der Humboldt-Universität
2. Gründung der Berliner Universität
3. Autonomie der Universität
4. Einbindung der Universität und Wissenschaft
in die Gesellschaft im 19.Jh.
5. Studenten und Professoren im 19.Jh.
6. Gesellschaftliche Einbindung der Universität im 20.Jh.
7. Wiedereröffnung der Berliner Universität 1949

Vorgeschichte

Die "deutschen" Universitäten steckten Anfang des letzten Jahrhunderts in der Krise. Deutsche Forschung und Lehre galten als verknöchert und veraltet und war international bedeutungslos. Die Aufklärung und die Einflüsse der Französischen Revolution hatten die Gesellschaft und ihre Kommunikationsformen verändert, doch scheinbar waren diese Veränderungen an den deutschen Universitäten vorbeigegangen und neue Ideen fanden in der Institution keinen nennenswerten Niederschlag.

Noch galt die mittelalterliche Universitätsform als maßgeblich. Der damals übliche Kathtetervortrag entsprach aber nicht mehr den neuen Zeiten mit ihren lebendigen Kommunikationsformen und so mancher Landesherr, der im Geiste der neuen bürgerlich-progressiven Ideen stand, sah sich veranlaßt die Universität zu Gunsten fachgebundener Hochschulen zu schließen. Diese Hochschulen sollten eine an Rituale nicht gebundene Lehre praktizieren.

Daß es trotz dieser Tendenzen nicht zu einem massenhaften Universitätssterben kam, hängt unter anderem mit dem ausgezeichneten Ruf einiger deutscher Universitäten zusammen, wie z.B. Göttingen und Halle, die versuchten sich den "modernen" Wissenschaften zu öffnen. Hier trat an die Stelle des von Kirche und Staat verordneten Dogmas der Vernunft, die Suche nach der Wahrheit und dem allgemeinen Wissen. Autonomie war das neue Zauberwort, autonom von Kirche und Staat forschen und lehren war der Wunsch.

Den institutionellen Rahmen fanden diese neuen Ideen in der Gründung der Berliner Universität.

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um 1823

Gründung der Berliner Universität

Im Wintersemester 1810/11 öffnete die Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin für 256 Studenten ihre Pforten. 52 Lehrende unterrichteten in den vier klassischen Fakultäten Medizin, Theologie, Philosophie und Jurisprudenz.

Die Gründung der Universität gehörte zu einem Reformpaket, das die bürgerliche Umgestaltung des preußischen Staatsapparates einleiten sollte. Als Leiter der Sektion Kultus und Unterricht wird Wilhelm von Humboldt beauftragt das preußische Unterrichtswesen zu reformieren. In dieser Stellung organisiert er die Gründung und erstellt, basierend auf Schleiermachers und Fichtes Vorarbeiten, die Konzeption. Seither gilt er als geistiger Stifter der Berliner Universität.

Humboldts Konzeption beruhte auf dem Geist der aufkommenden bürgerlich-nationalen Bewegung, und sie sah eine Verbindung von Bildung und Erziehung, Forschung und Lehre in organisatorischer Einheit vor. Der Student sollte sich nicht mehr nur als Lernender sehen, sondern unter Anleitung des Professors auch an der Forschung beteiligt werden. In seiner Konzeption sah Humboldt eine Universität, die ein Sammelpunkt für humanistisch, freiheitlich und patriotisch gesinnte Wissenschaftler sein sollte.

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das studentische Lesezimmer 1892

Autonomie der Universität

Nach Humboldts Ideal sollte die Universität autonom und unabhängig vom Staat bleiben, doch wie heute auch noch war der Staat der Geldgeber, und allein durch Studiengebühren konnten die Kosten nicht gedeckt werden. Die Universität, sie war ja auch vom Staat initiiert, mußte staatliche Ordnungsprinzipien übernehmen. Mit der einen Hand gab der Staat Freiheiten und nahm sie mit der anderen Hand wieder fort. Akademiker, die der politischen Linie des preußischen Staates entsprachen wurden bevorzugt und auch Gängeleien der Politik in inneruniversitäre Angelegenheiten konnten nicht verhindert werden.

Die dennoch relativ große Freiheit im Bereich der Forschung wurde durch Einführung des Staatsexamens erlangt. Ein Studium, das mit einem Staatsexamen abgeschlossen wurde, war eine festgelegte Berufsausbildung mit festgelegten Wissensinhalten, die zum Staatsdienst befähigte. So rekrutierte der Staat seinen Nachwuchs und die Universität konnte die Akademikerausbildung und Forschung freier gestalten.

In Geldforderungen war die Universität lange anspruchslos, das Kollegium blieb klein und die wachsenden Studentenzahlen und der dadurch größer werdende Bedarf an Lehrenden wurde durch schlecht bezahlte Hilfskräfte gedeckt.

Erst als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Naturwissenschaften eine immer größere Rolle spielten und Labore, Werkstätten und Kliniken gebaut und eingerichtet werden mußten, wurde auch der Geldbedarf der Universität größer.

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100 Jahr-Feier mit der kaiserlichen Familie

Einbindung der Universität und Wissenschaft in die Gesellschaft im 19.Jh.

Die Universität besaß das Privileg der Akademikerausbildung, was nicht unerheblich ihr Ansehen in der Gesellschaft ausmachte.

Die Mitglieder der Universität und die Akademiker wehrten nach unten ab und definierten was Wissenschaft sei und was wissenschaftswürdig. Die "wahre Wissenschaft" wurde durch eine Professur legitimiert. Technik galt lange nicht als Wissenschaft und wurde an den Universitäten ignoriert. Aufgrund dieser Mißachtung gründete man immer Fach,- und Technische Hochschulen, an denen Techniker und Ingenieure ausgebildet wurden.

Sahen sich die Universitätsangehörigen anfangs noch als eine Einheit, wurde es im Laufe der stetigen Ausdifferenzierung der einzelnen Wissenschaften, immer schwieriger, ein Gefühl der Einheit aufrecht zu erhalten. Kurz gesagt, den Chemiker trennten Welten vom Altphilologen und umgekehrt.

Viele der Professoren arbeiteten nicht nur für ihr Auditorium in den Hörsälen, sondern fanden auch viel Anklang und ein breites Publikum außerhalb der Universität. Sie sprachen und schrieben für das Bildungsbürgertum und fanden in dieser Gesellschaftsschicht großen Rückhalt. Zudem waren es oftmals Professoren, die tonangebend bei politischen Publikationen waren.

Der Universität war der Konsens mit der Gesellschaft selbstverständlich. Die Gesellschaft war im Preußen des 19. Jahrhunderts vorallem das Bildungsbürgertum, diese gesellschaftliche Klasse war maßgeblich und tonangebend und die Universität war nicht Kritikerin dieser Gesellschaft, sondern hatte so eine Art Führungsposition . In ihr wurden gesellschaftliche Probleme und Prozesse diskutiert und debattiert, politischer Protest ging von ihr als Institution nicht aus.

Während sich die Institution Universität im Konsens mit der Gesellschaft fand und sich kaum veränderte, waren einige ihrer Mitglieder immer wieder Träger politischen Protestes und Verbreiter neuer und fortschrittlicher Ideen .

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Schillertag 1906

Studenten und Professoren im 19.Jh.

Professoren waren Akademiker, die das Privileg besaßen Akademiker auszubilden und waren Mitglieder der Oberschicht.

Wissenschaft war lange weithin nachvollziehbar und die Leistung und Erkenntnisse der Professoren verhalfen ihnen selbst und somit auch ihrer Universität zu Ruhm und Ansehen.

Ein Grund für die herausgehobene Stellung der Professoren war ihre geringe Zahl. Die Masse der Universitätsabsolventen schloß das Studium mit dem Staatsexamen, nur ein sehr geringer Teil promovierte und noch geringer war die Zahl derer, die habilitierten.

Da die Studentenzahlen, die vorher langsam und kontinuierlich gestiegen waren, in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts sprunghaft und schnell zunahm, mußten die Universitäten reagieren. Sie versuchten der steigenden Studentenzahl, durch Einstellungen von Privatdozenten und Extraordinarien (außerordentliche Professor) entgegenzuwirken. Zu dieser Zeit war Berlin die größte Universität Deutschlands mit 5242 immatrikulierten Studenten, 72 Ordinarien, 79 a.o. Professoren und 122 Privatdozenten.

Während die Ordinarien alle Privilegien hatten, gab es für die a.o. Professoren und Privatdozenten sehr viel weniger Gehalt und so gut wie kein gesellschaftliches Ansehen.

Der Konflikt zwischen diesen beiden Gruppen, der sich daraus entwickelte war vorherzusehen. Auf der einen Seite die hochangesehenen und gutbezahlten Ordinarien, die das Prinzip Professur = Fach vertraten und auf der anderen Seite die unterprivilegierte Gruppe der a.o.Professoren und Privatdozenten, die "inoffizielle" Universität. Das Prinzip Professur = Fach war durch die fortschreitende Fächerspezialisierung nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Die Universität entwickelte sich langsam aber sicher damals schon zu einem Großbetrieb, der einer neuen Betriebsstruktur bedurfte. Die Universitäten waren damals nicht in der Lage dieses Problem selbst zu lösen und Staat und Politik mußten eine Änderung herbeiführen und Maßnahmen zur besseren Organisation treffen.

Die Studenten der Universitäten rekrutierten sich aus dem Adel und dem gehobenen Bürger,-und Beamtentum. Wenige Studenten kamen aus der Unterschicht und versuchten sich, durch ein Studium einen gesellschaftlichen und sozialen Aufstieg zu sichern. Lange änderte sich nicht viel an den Strukturen sozialer Herkunft der Studentenschaft. Ein Studium an einer Universität war kostspielig, es mußten sowohl Studiengebühren als auch Geld für Bücher und den Lebensunterhalt aufgebracht werden.

Als nach dem ersten Weltkrieg auch viele besser gestellte Familien durch Krieg und Inflation ihren Kindern kein gesichertes Studium mehr finanzieren konnten, mußte die Mehrzahl der Studenten in den Semesterferien arbeiten, um studieren zu können. In dieser Zeit eröffneten zur Unterstützung der Studenten allgemein zugängliche Mensen und Wohnheime. Trotz dieser Verbesserung der sozialen Situation der Studenten war es für Angehörige der Unter-oder Mittelschicht weiterhin so gut wie unmöglich zu studieren.

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Studentenwahlen 1921

Gesellschaftliche Einbindung der Universität im 20.Jh.

Als es 1918 in Deutschland zu revolutionären Veränderungen in der Gesellschaft kam, änderte sich an den Strukturen der Berliner Universität nicht viel, und Selbstkritik fand nicht oder kaum statt. Auch die rasanten Veränderungen und Weiterentwicklungen der Wissenschaften hatten so gut wie keine Auswirkungen auf die Universität als Institution.

Durch immer stärkere Ausdifferenzierung und Spezialisierung der Wissenschaften wurde Reputation vermehrt durch Forschungsleistung erlangt und nicht durch gute Lehre. Es wurde immer schwieriger den Studenten eine grundlegende Einführung in einzelne Wissenschaften zu geben, geschweige denn sie umfassend und allgemein zu bilden.

Aufgrund dieser Entwicklungen löste sich auch der Zusammenhalt zwischen Bildungsbürgertum und forschender Universität. Es war für die Menschen außerhalb der Universität kaum noch nachzuvollziehen und schwer verständlich was an der Universität passierte. War die Erfindung der Dampfmaschine noch für alle verständlich und der Nutzen klar zu erkennen, wurde das bei neueren Erkenntnissen, z.B. in der Physik , kaum nachvollziehbar.

Die nationalsozialistische Hochschulpolitik bedeutete für die Universität einen gewaltigen Verlust an Autonomie. Das Personal fiel der "Ausdünnung" und "Gleichschaltung" zum Opfer. 30% der Berliner Professoren waren von diesen Maßnahmen betroffen und die Studentenzahl verkleinerte sich von 11.000 auf 6.700.

Gegen diese Maßnahmen des Naziregims regte sich kaum nennenswerter Protest, die Anpassung überwog. Zwei Drittel der Universitätsangehörigen waren Mitglieder in der NSDAP.

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Übernahme der Rechtspflege durch das Reich 1935.
Die Richter auf dem Weg von der Universität zur Staatsoper.

Wiedereröffnung der Berliner Universität 1946

Nach dem zweiten Weltkrieg war die Universität institutionell und vorallem moralisch geschwächt. Sie war durch Krieg und Nationalsozialismus verkleinert worden und von vielen Teilen des Wissenschaftsmarktes abgetrennt.

Die Friedrich-Wilhelm-Universität fiel unter sowjetische Besatzung und die KPD, die jetzt für die Universität verantwortlich war, erklärte als dringlichste Aufgabe die "Säuberung des gesamten Erziehungs,-und Bildungswesens von dem faschistischen und reaktionären Unrat". Mitglieder der Universität wurden ausgetauscht, moralische Aufarbeitung der NS-Zeit fand nicht statt.

Die neuen Machthaber im Ostteil Berlins hatten präzise Vorstellungen von der Entwicklung der Universität und von ihrer Einbindung in die Gesellschaft.

Das bürgerliche Bildungsprivileg sollte gebrochen werden. Vorbildungsanstalten wurden gegründet, sie sollten fachlich begabten "Arbeiter,- und Bauernkindern" den Zugang zur Hochschule ermöglichen. Bürgerlichen Kindern wurde der Zugang soweit wie möglich verwehrt. In der 60er Jahren zeigte es sich aber, daß je mehr man auf individuelle Leistung und politische Zuverlässigkeit setzte, wieder die Kinder der "Intelligenz", also der bürgerlichen Klasse, größere Chancen besaßen diese Kriterien zu erfüllen und Zugang zur Universität fanden.

Wissenschaft stand im Dienst des Staates und wurde vom westlichen Wissenschaftsmarkt abgetrennt.

Die Umbennenung der Berliner Universität in Humboldt-Universität zu Berlin zeugte von starkem Traditionsbewußtsein, verhöhnte aber die Ideale Humboldts, der doch eine autonome Universität vor Augen gehabt hatte. Und gerade das war die Universität in der DDR nicht.

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